Internationaler Tag indigener Völker

09.August.2024

Tag der Indigenen Bevölkerung

Schutz der Rechte isoliert lebender und kürzlich kontaktierter indigener Völker

Der Internationale Tag der Indigenen Völker am 9. August rückt 2024 isoliert lebende und kürzlich kontaktierte indigene Völker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Diese Gemeinschaften, die oft abseits der globalisierten Welt leben, werden heute vor allem durch äußere Einflüsse verstärkt unter Druck gesetzt. Umweltzerstörung, Klimawandel und die Expansion moderner Gesellschaften gefährden ihre Lebensweise und zum Teil sogar ihr Überleben.

Auch aus Österreich kommt für den Schutz der Rechte isolierter und kürzlich kontaktierter Völker Unterstützung. Das Klimabündnis arbeitet im Rahmen einer mehr als 30-jährigen Partnerschaft mit dem Dachverband der indigenen Organisationen vom Rio Negro an der Stärkung indigener Landrechte im Nordwesten Brasiliens. Dort gibt es ebenfalls Völker, die erst kürzlich Kontakt zur westlichen Welt aufgenommen haben, und von der Anerkennung ihrer Landrechte profitieren.

 

Weltweit identifizieren sich laut UNO mehr als 476 Millionen Menschen als Indigene.Sie gehören über 5.000 verschiedenen Kulturen an und stellen heute 6,2% der Weltbevölkerung.

Der Grad ihrer Anpassung an die westliche Mehrheitsgesellschaft variiert dabei erheblich zwischen den unterschiedlichen Völkern. In vielen Fällen spielt die Nutzung digitaler Medien eine wichtige Rolle für den Erhalt der eigenen Kultur und dient als Sprachrohr im Kampf um Land- und Minderheitenrechte. In anderen Fällen besteht, vor allem über medizinisches Personal, Kontakt zur Außenwelt, da Krankheiten wie Malaria, Quecksilbervergiftungen oder Covid-19 häufig in Zusammenhang mit dem Eindringen Nicht-Indigener in die Territorien stehen.  Viele dieser Gruppen hatten bereits in der ein oder anderen Form Kontakt zur sogenannten „Zivilisation“, entschieden sich jedoch freiwillig für ein Leben in abgelegenen Gebieten, oft in dichten Wäldern oder unzugänglichen Bergregionen, um ihre traditionelle Lebensweise und Kultur aufrecht zu erhalten.

Bis heute bedroht illegaler Goldabbau die Yanomami auf ihren Territorien und sorgt dort für Mangelernährung, vergiftete Flüsse und Gewalt.

Nordbrasilien: Heimat der Yanomami, Nadöb, Hupda und Yuhupde

Eines der Länder mit der größten Anzahl an nach wie vor in freiwilliger Isolation lebenden Völkern, ist Brasilien: Bis zu 100 verschiedene Völker meiden dort den Kontakt zur westlichen Welt. Das bekannteste dieser Völker sind die Yanomami im nördlichen Grenzgebiet zwischen Brasilien und Venezuela. 

In vielen Fällen besteht vor allem über den Tauschhandel mit anderen indigenen Völkern Kontakt zu westlichen Konsumgütern und Lebensmitteln sowie über staatliche Verpflegungsprogramme mit Grundnahrungsmitteln wie Reis, Bohnen oder Nudeln. Teile von ihnen gelten daher auch als „kürzlich kontaktiert“. Im Fall der Yanomami besteht der Kontakt u.a. über den Dachverband der indigenen Organisationen vom Rio Negro, kurz FOIRN, die seit 1993 von österreichischen Klimabündnis-Gemeinden, -Städten und -Ländern finanziell und ideell unterstützt wird. Ein Teil des Territoriums der Yanomami liegt im Verwaltungsgebiet der FOIRN. Auch die Nadöb, Hupda und Yuhupde leben in dieser Region im Nordwesten Brasiliens und gehören dort zu den letzten teilweise nomadisch lebenden Völkern.

Dachverband der indigenen Organisationen am Rio Negro

Indigene Dachverbände als wichtige Schnittstelle zur Außenwelt

Der Kontakt mit den indigenen Vertreter:innen der FOIRN ist heute für viele dieser Völker sehr wichtig, denn diese setzen sich stellvertretend für die Anerkennung der Landrechte der indigenen Gemeinschaften am Rio Negro ein. Außerdem ermöglicht die FOIRN Angehörigen kürzlich kontaktierter Völker den Zugang zu staatlichen Förderprogrammen, u.a. für den Zugang zu medizinischer Grundversorgung. So gelang zuletzt im Juni 2023 die Ausweisung eines Gebiets in der zweifachen Größe von Vorarlberg als indigenes Territorium der Nadöb.

Die Anerkennung bedeutet, dass die Nadöb das Territorium nach ihren eigenen Traditionen nutzen und bewirtschaften dürfen und das Recht auf Konsultation haben, bevor ihr Gebiet wirtschaftlichen Interessen zum Opfer fällt, beteuert Elke Kastner, Geschäftsführerin von Klimabündnis Österreich.  

Landraub und moderne Krankheiten als drohende Gefahren

Die Isolation ist nicht zuletzt auch deshalb freiwillig gewählt, da ebensolche wirtschaftlichen Interessen heute eine der größten Bedrohungen für die Land- und Menschenrechte dieser Gruppen darstellen. Die Expansion der Agrar- und Rohstoffindustrie, Straßenbau sowie illegaler Holzeinschlag zerstören jahrtausendealte, intakte Lebensräume und bringen auch unscheinbare Gefahren mit sich: Der Kontakt mit Außenstehenden kann zur Übertragung von unbekannten Krankheitserregern und in Folge verheerenden Epidemien führen, gegen die diese Gemeinschaften keine Abwehrkräfte haben. Auch im Fall der Covid-19-Pandemie war die FOIRN in Kontakt mit Angehörigen der erst kürzlich kontaktieren Völker und kümmerte sich darum, dass diese möglichst nicht in die nahegelegene Stadt São Gabriel da Cachoeira reisten, da dort die Ansteckungsgefahr am höchsten war. Im Rahmen einer mehrsprachigen Informationskampagne erreichten sie auch die isoliert lebenden Gemeinschaften und gaben wertvolle Tipps für den Immunschutz. Unterstützung dafür kam u.a. vom Land Tirol. 

Bedrohung Klimawandel

Wie lange die Völker ihre freiwillige Isolation auch in Zukunft noch aufrechterhalten können, wird sicher auch von den unmittelbaren Auswirkungen der Klimakrise auf ihren Gebieten abhängig sein. Zunehmende Extremwetter-Ereignisse, Veränderungen in der Biodiversität und Abweichungen in den traditionellen Jahreszyklen könnten zur realen Bedrohung der Ernährungssicherheit für viele Menschen werden und damit die traditionellen Lebensweisen gefährden.  

Der Schutz isoliert lebender und kürzlich kontaktierter Völker hat oberste Priorität. Ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre eigene Zukunft selbst zu wählen und zu gestalten, muss auch in unserer technologie-durchdrungenen Gesellschaft von heute noch möglich sein – als Zeichen des Respekts vor der kulturellen und menschlichen Vielfalt auf unserem Planeten“, ist Projektleiterin Kerstin Plaß überzeugt. 

Seit 28.06.2024 ist Dário Casimirio Baniwa neuer Präsident der FOIRN

Von Österreich nach Brasilien  

Seit 1993 unterstützen über 1.000 österreichische Gemeinden und Städte über ihre Mitgliedschaft im Klimabündnis die indigene Bevölkerung am Rio Negro ideell und finanziell bei der Bewahrung des Regenwalds als artenreichen Lebens- und Kulturraum. Die Partnerschaft mit dem Dachverband der indigenen Organisationen vom Rio Negro, kurz FOIRN, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des voranschreitenden Artenverlusts und der Klimakrise.  

Für Interviews mit Rio Negro-Koordinatorin Kerstin Plaß vom Klimabündnis bitte um Kontaktaufnahme unter 0512 583558-22 | kerstin.plass@klimabuendnis.at