Zunehmende Dürren gefolgt von immer epochaleren Überschwemmungen halten nicht nur hier bei uns in Österreich Bauern und Bäuerinnen auf Trab. Auch auf den traditionell bewirtschafteten Feldern im Amazonas fordert der Klimawandel das fachliche Know-How, um weiterhin regionale Ernährung für die lokale Bevölkerung der nur wenig erschlossenen Region zu ermöglichen.
Seit Jahrtausenden orientieren sich Landwirt:innen überall auf der Welt an natürlichen Zyklen und steuerten dadurch den besten Zeitpunkt für Aussaat, Pflege und Ernte. Am Rio Negro zogen die Menschen dafür die abendlichen Sternbilder heran, die ihnen unter anderem auch Aufschluss über die Fortpflanzungs- und Laichzeiten der Tiere, Trocken- und Regenzeiten sowie Blütezeiten wichtiger Waldfrüchte gaben. Ein verlässliches System, das seit jeher die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus der direkten Umgebung ermöglichte und durch seine Vielfalt und intelligente Nutzung natürlicherer Ressourcen bis heute Grundlage für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität am Rio Negro ist.
Dieses Wissen auch an die nächsten Generationen weiterzugeben und damit zu erhalten, ist Teil des Bildungsverständnis der Menschen am Rio Negro. In generationenübergreifenden Workshops lernen Schüler:innen von den Ältesten und erforschen dadurch das traditionelle Wissen über die natürlichen Kreisläufe.
Einer dieser AIMAs ist Genilton Apolinario da Silva, der auch im verlinkten Video zu Wort kommt. Er arbeitet seit 2018 als AIMA und ist außerdem Meliponi-Imker. Für seine Tätigkeit als AIMA bekommt er ein Stipendium, das zum Teil von internationalen Organisationen wie dem Klimabündnis getragen wird. Neben handschriftlichen und graphischen Aufzeichnungen halten die meisten AIMAs ihre Daten heute auch mithilfe eines Tablets fest – das vereinfacht die Skalierung und statistische Erfassung zur Klimamodellierung für die Region. Diese erfolgt in Zusammenarbeit mit Dorfältesten sowie brasilianischen Wissenschaftler:innen. Die Symbiose aus traditionellem und westlichem Wissen dient dabei als wichtige Grundlage zur Erarbeitung lokaler Lösungen gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels. Dabei geht es nicht zur darum, Aussaat- und Erntezeitpunkte anzupassen, sondern auch Jagd- und Wildtiermanagement zu betreiben, um das klimawandelbedingte Migrationsverhalten der Tiere besser zu verstehen.
Diese Daten und das genaue Monitoring der natürlichen Zyklen liefern die Grundlage, um die Selbstversorgung der Menschen am Rio Negro auch künftig zu gewährleisten. Denn bis heute decken die Menschen in den Region den Großteil ihres Bedarfs an Lebensmitteln aus der eigenen Produktion bzw. Jagd. Doch der Anbau von Obst und Gemüse ist mittlerweile auch Teil der nachhaltigen indigenen Wirtschaft in der Region: die kleinstrukturierte Vermarktung der eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse dient vielen Bäuer:innen mittlerweile als Nebenerwerb. Was genau es damit auf sich hat, erzählen wir in unserem nächsten Beitrag zur „Philosophie des stehenden Waldes“ am Rio Negro Ende Mai!